Schönes Thema.
Aber bevor man darüber spricht, muss man definieren, was ein guter Song ist. Meine Definition:
Ein Musikstück, das bereits reduziert auf Melodie, im Falle des Songs Text (gibt ja auch instrumentale Kompositionen) und Harmonien "funktioniert", sprich, seinen eigenen Charakter entfaltet, erkennbar und nicht beliebig ist.
Wenn man es also mit einer Gesangsstimme und einem Klavier oder einer Gitarre spielen kann, isses gut.
Wenn man es schnell, langsam, in verschiedenen Rhythmen, verschiedensten Instrumentierungen spielen kann, und es doch dasselbe Lied bleibt, dann isses gut.
(Das ist m.E. auch die Antwort auf die Frage, warum immer wieder so alte Gassenhauer gecovert werden: weil es gute Songs sind, aus denen man vieles machen kann.)
Ich beobachte dasselbe wie Tortich plus:
Wenn die Sachen nicht langweilig sind, dann sind sie nicht "catchy", also irgendwie verschroben, konstruiert, unorganisch.
Warum aber dies?
1. Läster-Paul hat recht. Wer ein Instrument gelernt hat, hat ein Instrument gelernt. Und nicht komponieren. Auch nicht Arrangieren. Vom Texten mal ganz zu schweigen, da wird's ja oft ganz finster.
2. Man muss nicht komponieren (können), um Musik zu machen.
Es gibt genug phantastische Songs, die man spielen kann.
Ich spiele ganz ehrlich lieber eine guten fremden Song (NICHT nach- , da sollte schon eigene Interpretation, eigenes Arrangement drin sein), als einen schlechten Eigenen.
Damit stehe ich anscheinend nicht allein da (man schaue sich beispielsweise Jeff Beck an).
3. Komponieren ist eine wesentlich härtere, weil unbefriedigendere Arbeit als Üben auf einem Instrument, weil eben nicht garantiert ist, dass ein guter Song dabei herauskommt. Sage ich, der ich Üben schon ziemlich unbefriedigend finde.
4. Heute wird Musik auch im professionellen Bereich oft nicht mehr komponiert, sondern produziert.
Phatte Sounds, coole Gimmicks, abgefahrene Effekte, atemberaubende Instrumentenbeherrschung, aufwändige Arrangements ersetzen das, was früher eben die Komposition und der Text gemacht haben.
Es hört sich neu und toll an, hat aber letztlich keine Substanz.
Ist mir arg aufgefallen, als in der letzten "X Factor"-Staffel H.P.Baxxter und Moses Pelham je einen Song von ihrem neuen Album vorgestellt haben. Sorry, aber für mein Ohr war da kein Song.
Und das dann kontrastiert mit Mrs. Greenbird, die "Too close", "Frozen" oder, wie hier neulich gepostet, "I was made for loving you" mit einer Gitarre und zwei Stimmen spielen.

Naja, und wenn die großen Stars es so vormachen, warum sollten dann die kleinen Amateure die Latte höher hängen?
5. Die Möglichkeit zu Innovation ist eingeschränkt und wird immer eingeschränkter. Es gibt eben nur eie begrenzte anzahl Möglichkeiten, die 8 Töne einer Tonleiter miteinander zu verbinden, und davon klingen einige einfach scheisse.
Mich persönlich frustriert immer wieder, dass meine Songversuche irgendwann klingen wie etwas, was es leider schon gibt. Blöd auch, wenn man verhältnismäßig viel Musik kennt, da merkt man das nämlich schneller (siehe die Geschichte mit George Harrisions "My Sweet Lord" - das hätte mir nicht passieren können).
So liegen also x-tausend Musik und Textfragmente auf meinem Rechner, und vielleicht wird ja irgendwann mal was davon fertig.
6. Außerdem ist es beim Komponieren so wie beim Sex (oder beim Malen, Bildhauerei, Literatur, Schauspiel, in gewisser Weise auch beim Kochen): Wenn's richtig gut werden soll, darf einem grundsätzlich nichts peinlich sein - geh Deinen Weg.
Da macht man sich richtig auf, transparent, verletzlich. Das erfordert Mut und nicht jeder ist mutig.
Was ich komplett anders sehe als Tortich ist:
c) Weil wir nicht in einer Welt leben, in der sich eine Kultur der Kreativität entfalten kann.
Ich denke, das unsere Welt dazu genauso gut oder schlecht geeignet ist, wie jede andere auch.
Es ist aber nicht jedem Menschen ein Bedürfnis oder eben "gegeben", wirklich schöpferisch zu sein.
Ich glaube nämlich nciht, dass jeder es griundsätzlich können könnte.
Bei mir selbst habe ich langsam so den Eindruck, ich kann nur ko-komponieren, also in die Songs Anderer Veränderungen (zum Besseren) einbringen.
Soweit meine 2 ... na gut 36 Cent.
Cheers,
Nick