England und Europa im Jahre des Herrn 2011

Schnabelrock

England und Europa im Jahre des Herrn 2011

Beitragvon Schnabelrock » Mi 10. Aug 2011, 00:44

England war mal eine stolze Industrie- und Handelsnation mit einer ebenso stolzen Arbeiterklasse. Heute ist das Land weitgehend de-industrialisiert, die Bildungschancen der Non-Eliten sind minimal, Teile der Städte sind verwahrlost.

Das System der Ausbeutung hat sich inzwischen auf Luftnummern wie "Finanzprodukte" spezialisiert und schwindelt so mit staatlicher Duldung dem Mittelstand die Reserven ab.

Der "Rest" schlägt sich so durch, "Dienstleistungsgesellschaft" = Job an der Kasse bei Tesco, 4 Pfund die Stunde brutto, jederzeit kündbar.

Aber im Grunde ist England einfach nur zwei Schritte weiter auf dem Weg, auf dem man auch uns gerade steuert.

"Unsere" Regierungen machen nicht die Fehler Maos, Castros oder Mubaraks. Sie bespitzeln keinen und sie liquidieren niemanden. Warum auch? Was das Volk zu ihren Taten meint, ist ihnen doch scheissegal. Sie ziehen stoisch ihre Auftrag "Umverteilung" durch. Alle paar Jahre lassen sie sich von 50% der 60% Wahlberechtigten wählen, ihre Legitimation beträgt 30%. Die meisten ihrer Wähler stimmen nur noch aus Eigennutz, Dummheit, Hass gegen sich selbst oder andere oder Hiiflosigkeit für sie.

Das ist der Zustand Europas 2011 n. Chr.

raana3800+

Re: England und Europa im Jahre des Herrn 2011

Beitragvon raana3800+ » Mi 10. Aug 2011, 00:57

Und jetzt?

Schnabelrock

Re: England und Europa im Jahre des Herrn 2011

Beitragvon Schnabelrock » Mi 10. Aug 2011, 00:58

lass uns noch ein Weilchen bei der Analyse bleiben ;)

raana3800+

Re: England und Europa im Jahre des Herrn 2011

Beitragvon raana3800+ » Mi 10. Aug 2011, 01:03

Gerne!
Hatten wir das gleiche Thema nicht schon damals in den pariserischen Bönlieu....Bönlie..., naja das mit dem Kercher?

Darthie

Re: England und Europa im Jahre des Herrn 2011

Beitragvon Darthie » Mi 10. Aug 2011, 07:50

Schnabelrock hat geschrieben:Aber im Grunde ist England einfach nur zwei Schritte weiter auf dem Weg, auf dem man auch uns gerade steuert.


Nein, das sehe ich nicht so.

Ich selbst bin ja mehr so anglophil, halte persönlich die Britischen Inseln für "God's Own Country" (unabhängig davon, dass ich mehr so in Richtung Agnostiker tendiere und davon, dass andere Staaten diesen Titel meinen, für sich - völlig zu Unrecht - beanspruchen zu können) und würde nach meiner beruflichen Zur-Ruhe-setzung geren ein paar Jahre dort leben.

Dennoch: Die englische Seele hat einen nicht zu übersehenden Nachteil - sie ist eine Krämerseele.
Profit um jeden Preis, capitalism galore.
Wer jemals versucht hat, als Tourist in naher Umgebung einer Sehenswürdigkeit zu parken, oder Land's End zu besuchen, weiss, was ich meine.

An der Stelle sehe ich uns bei weitem (noch*) nicht.

* Ich glaube auch nicht, dass wir dort je hinkommen.

Tom

Re: England und Europa im Jahre des Herrn 2011

Beitragvon Tom » Mi 10. Aug 2011, 09:30

Ja, England ist auch in meiner Phantasie das Land der Hyperboreer.
Ich war noch nicht dort, aber bis auf einige Ausnahmen wurde ich hier musikalisch im Popbereich erzogen.
Ich fand England im Popbereich über weite Strecken immer musikalisch wesentlich interessanter als Amerika (bis auf Funk und Soul und natürlich Jazz).
Auch im humoristischen Bereich halte ich England für eine Führungsmacht. :twisted:
Ich hab eine Dauersehnsucht nach England in mir; die dürfte aber langsam mal einer realistischen Einschätzung weichen . . .

Mal sehn: Kolonialismus . . . . hm . . mal einlesen . . .

Zakk_Wylde
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Re: England und Europa im Jahre des Herrn 2011

Beitragvon Zakk_Wylde » Mi 10. Aug 2011, 09:45

Ich kann da nicht so viel sagen. Ob GB in der Pseudo-Dienstleistungsgesellschaft angekommen ist, weiß ich nicht. London ist wichtiger Finanzstandort.

Jedenfalls hatte England immer ein Problem mit einer ungebildeten Unterschicht. Ich weiß noch aus meiner anglophilen Zeit, als ich mich für best. Jugendbewegungen, die in den 60er ihren Ursprung hatten, interessiert habe, dass es Problemviertel in typischen englischen Industriestädten gab, die man besser nicht betrat. Wer ins Visier kam, wurde übel zugerichtet. Ein Spaß zB.: Augenlider mit Sekundenkleber zusammenkleben. Neben der Sprache erkannte man den britischen Unterschichtler auch am lückenhaften Gebiss, den tätowierten Unterarmen usw.

Gruß Zakk

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Aldaron
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Re: England und Europa im Jahre des Herrn 2011

Beitragvon Aldaron » Mi 10. Aug 2011, 10:15

Zakk_Wylde hat geschrieben:Neben der Sprache erkannte man den britischen Unterschichtler auch am lückenhaften Gebiss, den tätowierten Unterarmen usw.


Popeye?

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Mr Knowitall
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Re: England und Europa im Jahre des Herrn 2011

Beitragvon Mr Knowitall » Mi 10. Aug 2011, 10:44

Ulf erklärts euch:

http://www.welt.de/debatte/kommentare/a ... ieren.html

Ich frage mich ja immer, woher der Ulf das alles so genau weiß...

http://de.wikipedia.org/wiki/Ulf_Poschardt

Lernt man das alles auf der Journalistenschule? Interviews erfinden, neoliberales Wirtschaftsblabla...

Degenhardt:
http://www.youtube.com/watch?v=a-DJfQgzGNU

Darthie

Re: England und Europa im Jahre des Herrn 2011

Beitragvon Darthie » Mi 10. Aug 2011, 11:26

Mr Knowitall hat geschrieben:Ich frage mich ja immer, woher der Ulf das alles so genau weiß...


In dem Artikel geht's ja nicht um wissen, sondern um seine Meinung.

Und die kann man teilen - oder auch nicht.

Darthie

Re: England und Europa im Jahre des Herrn 2011

Beitragvon Darthie » Mi 10. Aug 2011, 11:54

Darthie hat geschrieben:Dennoch: Die englische Seele hat einen nicht zu übersehenden Nachteil - sie ist eine Krämerseele.
Profit um jeden Preis, capitalism galore.


Hier mal der heutige Zeitungs-Artikel zum Posting:

http://www.berlinonline.de/berliner-zei ... 354129.php

Al Burky

Re: England und Europa im Jahre des Herrn 2011

Beitragvon Al Burky » Mi 10. Aug 2011, 12:00

Leider sehr treffend, der Artikel. Die Armee einzuschalten ist vlt. keine so gute Idee, setzt sich diese doch seit langer Zeit aus genau dieser "klasse" zusammen..... (Hab Verwandte dort, incl. Soldaten)

linus
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Re: England und Europa im Jahre des Herrn 2011

Beitragvon linus » Mi 10. Aug 2011, 12:08

Naja, wenn Darthie das Thema "Touristen in England" anschneidet, dann fällt mir in Deutschland - egal ob Nord-, Ostsee, Alpen, Schwarzwald nur das Wort "Kurtaxe" ein: ein absolut unfaßbares, arrogantes Prinzip, das nur dazu dient, den Kommunen - neben den horrenden Parkgebühren vor Ort (!) der Sehenswürdigkeiten - Geld in die Kassen zu spülen :mad:
Als Skandinavien-Reisender kann ich dazu nur sagen, daß ich dort wann und wo ich will, immer an den Strand bzw. das Meer komme, ohne mich von einem von den Kommunen menschenunwürdig bezahlten Ein-Euro-Jobber (denn fair bezahlen tun die "freien" Angestellten auch nicht - das zur Kurtaxe) maßregeln lassen zu müssen...!
Und das der Strand dort vor Unrat trotzt, habe ich in zwanzig Jahren noch nie erlebt. Von der Straßenqualität ganz zu schweigen, die einem in Deutschland so ziemlich jede Reise verleidet - es sei denn, man fährt irgendeinen Panzer der automobilen Oberklasse... - und das kann im Sinne der Resourcen auch keine Lösung sein!

Die zitierte "ungebildete" Unterschicht hat in Deutschland seit 10 Jahren längst Einzug gehalten! Wer das in Bus und Bahn, beim Einkauf in Geschäften (Media Markt/Saturn-Besuche zeigen einem lehrbuchhaft, wie Kinder erzogen werden, von Erwachsenen, die das Wort soziales Verhalten noch nicht mal buchstabieren können) noch nicht bemerkt hat bzw. der Meinung ist, daß das bei uns anders wäre, der hat den Gong nicht gehört!

Eine Studie eines Bundesamtes (mir fällt gerade nicht ein, welche, hake ich noch nach) hat festgestellt, daß in den letzten 10 Jahren die Kaufkraft der hohen Gehälter (über 5.000,- Euro ) um ca. 1,5% gestiegen ist, die Kaufkraft der mittleren Gehälter (über 3.000,- Euro) um ca. 2,0 % gesunken ist - die Kaufkraft der sogenannten geringen Gehälter (bis 2.000,- Euro) dagegen um 23 % (!!) gesunken ist: und diese Zahlen verdeutlichen, welch Sprengstoff in unserer Gesellschaft besteht. Wer für einen gelernten Beruf Vollzeit arbeitet, davon aber ohne Zweit oder Drittjob keine Familie ernähren kann, der hat irgendwann die Faxen dicke... :gun:

Dazu kommt diese unsere Regierung, die nur solche Signale aussendet, die der Oberschicht deren Wohlstand bewahren, die Mittelschicht bricht weg und wir nähern uns der Zwei-Klassengesellschaft.
Was das bedeutet, weiß jeder, der geschichtlich interessiert ist und dessen geistiger Horizont weiter reicht, als der Abstand zwischen Brett und Hirn :twisted:

Ich bin vollkommen überzeugt davon, daß Merkel und Konsorten der Arsch auf Grundeis geht - aber auf die "faule und arbeitsunwillige Unterschicht" können sie sich ja verlassen, solange das Riesen-Fernsehgerät, Playstation und das jeweils angesagte Handy unters Volk gebracht werden können...!

Linus

Darthie

Re: England und Europa im Jahre des Herrn 2011

Beitragvon Darthie » Mi 10. Aug 2011, 12:21

Schnabelrock hat geschrieben:die Bildungschancen der Non-Eliten sind minimal,


In Berlin hatten wir vor einigen Jahren eine ähnliche Aussage in Diskussionsbeiträgen zum Thema "Aufstiegschancen für Migrantenkinder (in sog. dritter Generation)".
Hauptsächlich wurde von den Betroffenen argumentiert, dass man ja doch keine Chance habe (und sich demnach in Frust-Gewaltanwendung, Sozialunterstützungsdauerempfang und Kleinkriminalität flüchten müsse).
Während der entsprechenden Debatte wurde im Berliner Stadtmagazin "tip" (traditionell eher dezentlinks orientiert, im Gegensatz zum schwererlinken "Zitty") ein Artikel veröffentlicht, in dem sinngemäß folgender Satz stand:

"Es ist niemandem verboten, in der Schule aufzupassen."

Ich halte das für immerhin nachdenkenswert.


linus hat geschrieben:neben den horrenden Parkgebühren vor Ort (!)


Wenn Du die "horrend" findest - was sie sind -, verdoppele oder verdreifache sie im Geiste, und Du bist in Großbritannien.
;-)

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Re: England und Europa im Jahre des Herrn 2011

Beitragvon linus » Mi 10. Aug 2011, 12:39

@ Darthie

Meinen diesbezüglichen "Rekord" erlebte ich 2006 in Brighton: Für 5 Stunden Parkhaus Ortslage zahlte ich 12 Pfund... :mad:

Darthie

Re: England und Europa im Jahre des Herrn 2011

Beitragvon Darthie » Mi 10. Aug 2011, 13:46

linus hat geschrieben:@ Darthie

Meinen diesbezüglichen "Rekord" erlebte ich 2006 in Brighton: Für 5 Stunden Parkhaus Ortslage zahlte ich 12 Pfund... :mad:


Für 6 Stunden Münchener Parkhaus zahlte ich allerdings auch schon mal 24 €.

Dort warte ich immer noch auf die Mitteilung über meinen Eintrag im Grundbuch, denn zweifelsohne habe ich den Parkplatz bei dem Preis ja gekauft.
Genauso wie ein Grundstücksteil im Starbucks in Nottingham...

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Großmutter
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Re: England und Europa im Jahre des Herrn 2011

Beitragvon Großmutter » Mi 10. Aug 2011, 13:57

...ich habe das schreckliche Gefühl, dass wir in England gerade unser aller Zukunft, die Zukunft Europas sehen. Die kommenden Zeiten, sprich Sparkurse, werden auch bei uns und überall die sozialen Verwerfungen noch verstärken, mit den logischen Konsequenzen. Wir opfern soziale Gerechtigkeit und den Konsens unserer Gesellschaften zugunsten "funktionierender" Märkte und "prosperierender" Wirtschaft, die Produkte und Dienstleistungen schafft, die für weite Teile der Unterschicht immer unerreichbarer werden. Wir opfern (wie immer) die Armen...hier entlädt sich die Wut und die Hilflosigkeit derjenigen, die nix mehr zu verlieren haben...das ist kriminell und ziemlich abscheulich, aber eben leider auch nur logisch...


Tom

Re: England und Europa im Jahre des Herrn 2011

Beitragvon Tom » Mi 10. Aug 2011, 14:52

Großmutter hat geschrieben:...ich habe das schreckliche Gefühl, dass wir in England gerade unser aller Zukunft, die Zukunft Europas sehen. Die kommenden Zeiten, sprich Sparkurse, werden auch bei uns und überall die sozialen Verwerfungen noch verstärken, mit den logischen Konsequenzen. Wir opfern soziale Gerechtigkeit und den Konsens unserer Gesellschaften zugunsten "funktionierender" Märkte und "prosperierender" Wirtschaft, die Produkte und Dienstleistungen schafft, die für weite Teile der Unterschicht immer unerreichbarer werden. Wir opfern (wie immer) die Armen...hier entlädt sich die Wut und die Hilflosigkeit derjenigen, die nix mehr zu verlieren haben...das ist kriminell und ziemlich abscheulich, aber eben leider auch nur logisch...


Die Anderen sagen aber doch immer, "die florierende Wirtschaft bezahlt den Sozialstaat". Was antworten wir Ihnen, oh meine Grandma?
Und jetzt nicht sagen: "Read the fucking Manual"

Editierung: Die Antwort ist: "die florierende Wirtschaft bezahlt der Sozialstaat"

(Hast gesehen? Voll geil - ich bin voll der Checker: kuckmal nur ein Buchtabe ein verfickter Buchstabe anders und schon . komplett andere Message oder?. geiloder . . boah ich bin so ein Checker . . Mr. Brain hey! voll weise bin ich voll der ausgeschlafene Checker tu ich sein ey . . . man bin ich geil . . . )
Zuletzt geändert von Tom am Mi 10. Aug 2011, 18:43, insgesamt 1-mal geändert.

Darthie

Re: England und Europa im Jahre des Herrn 2011

Beitragvon Darthie » Mi 10. Aug 2011, 14:56

Großmutter hat geschrieben:http://www.sueddeutsche.de/politik/ungerechtigkeit-in-grossbritannien-verloren-verzweifelt-wuetend-bis-aufs-blut-1.1129811


Aus dem Artikel:

Die Botschaft für Britanniens Unterklasse könnte eindeutiger nicht sein: einmal arm, immer arm, und das gilt selbstverständlich auch für eure Kinder und Enkel. Ihr habt mehr Chancen, einen Sechser im Lotto zu tippen, als aus eurer Klasse auszubrechen.

Klar, man muss es ihnen nur lange genug einreden, dann glauben sie auch dran.


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