Beitragvon Blues Bird » Mi 2. Mär 2011, 14:17
1. Ist Guttenberg ein Betrüger? Guttenberg hat jedenfalls bei seiner Doktorarbeit betrogen, das ist offensichtlich: 324 von 393 Seiten(Ohne Inhaltsverzeichnis etc) = 82 % enthalten Plagiate bzw. 8061 Zeilen von 16.325 Zeilen = 49%. Wer also angesichts dieser eindeutigen Faktenlage ein vorsätzliches Plagiat bestreitet bzw. dieses auf das Niveau eines Lausbubenstreiches herunterschwafelt, handelt entweder aus einer bestimmten Motivation heraus (die bei den beteiligten Politikern wohl in Eigennutz bestehen dürfte...) oder gehört einer intellektuell niederohmigen Kaste an und schneidet auch sonst nicht so viel mit. Ob Guttenberg deswegen insgesamt und überhaupt ein Betrüger ist, kann ich nicht beurteilen - ich kenn den Mann nur aus den Medien. Ob man das unterstellen kann, nach dem Motto, hier liegt ja wohl eindeutig ein charakterliches Defizit vor und einmal Betrüger immer Betrüger, ist wohl eher eine Frage für Psychologen als für den Stammtisch.
2. War es richtig, dass er zurückgetreten ist? Natürlich, er hat betrogen und gelogen und damit Spielregeln gebrochen, was nicht ohne Ahndung bleiben darf, ohne ansonsten das Regelwerk zu gefährden. Zu Spät? Sicherlich, aber es hat nun mal nicht jeder die moralische Größe (oder die hohe Selbstachtung) wie Frau Käßmann. Am Ende ist er jedenfalls nicht zugetreten, weil ihn die eigenen Leute fallgelassen haben oder weil es die Oposition erzwungen hätte, sondern weil er -wenn auch nur unter dem immensen Druck der Öffentlichkeit - nicht länger mit seiner Lüge leben wollte.
3. Soll er bestraft werden? Sein Strafe hat längst an jenem Tag begonnen, an dem die ersten Vorwürfe bekannt geworden sind. Staatsanwalt und Urheberrecht sind dagegen pilipale. Ich möchte nicht ihn seiner Haut stecken, er tut mir leid.
4. Kann man ihn (trotz seines Betrugs) sympatisch finden? Ich kenne ihn nur aus den Medien: da kommt er für mich einigermaßen sympatisch und insbesondere wenn man ihn mit seiner peergroup (Politikerkaste) vergleicht, auch authentisch rüber. Sympathie hat doch vor allem was damit zu tun, ob man "menschlich" mit jemandem kann oder könnte. Wer sich bei dieser Frage nur von seinen politischen Überzeugungen leiten läßt, sollte mahl sein Sozialverhalten checken lassen.
Für seine Tat ist bzw. wird er bestraft, die macht aber für mich (nur) einen persönlichen Fehler, aber (ebensowenig wie die gegeelten Haare) nicht die ganze Person aus. Insoweit (bezogen auf die menschlichen Defizite) haben die recht, die da sagen "Wer ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein."
5. Und sonst?
- Toll finde ich, wie sich in diesem Fall dank Internet die Wahrheit sowohl hinsichtlich der Sachverhaltsaufklärung als auch Meinungsbildung durchgesetzt hat. Demoskopen sollten wohl ihre Erhebungsmethoden überdenken. Einfach 500 Leute anrufen und dann hochrechnen kann ganz schön in's Auge gehen.
- Die BILD Zeitung (übrigens hier immer noch von "BLÖD" Zeitung zu sprechen, ist so Achtziger...) hätte gleich mitzurücktreten sollen.
- Frau Merkel kann's nicht (mehr).
- Politiker aller Coleur lernen ja vielleicht aus dem Fall, dass in Zeiten schwindender Einflußmöglichkeiten und damit Bedeutung der Politik simplen Tugenden wie der Wahrhaftigkeit wieder mehr Bedeutung zukommt.