Mutig oder feige? Gunter Sachs...

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Matt 66
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Re: Mutig oder feige? Gunter Sachs...

Beitragvon Matt 66 » Mo 9. Mai 2011, 21:51

Ich glaube (nicht im religiösen Sinne, sondern eher anthropologisch) halt einfach daran, dass der Mensch ein Sozialwesen ist, dessen Lebensform in erster Linie durch WECHSELSEITIGE Beziehungen gekennzeichnet ist. Kein Mensch möchte ein Leben lang auf einer einsamen Insel, ohne jeglichen Kontakt zu anderen Menschen leben. (Ein paar spirituelle Fanatiker mal außen vor...)
Ich kenne seine Biografie nicht, aber ich kann mir vorstellen, dass seine Frau oder Kinder not amused darüber sind. Wie oft hat sie ihm die Hemden gebügelt und das Essen auf den Tisch gestellt? Wofür?

Wenn er sie vorher alle gefragt hat, ob das okay ist, dass er sich bei Anzeichen von Alzheimer ne Kugel in den Kopf jagt, und sie alle gesagt haben: ja, prima, mach das, erspart uns allen ne Menge Arbeit - dann nehme ich alles zurück...

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Mr Knowitall
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Re: Mutig oder feige? Gunter Sachs...

Beitragvon Mr Knowitall » Mo 9. Mai 2011, 21:57

Wir sind uns einig, dass wir uns in diesem Punkt nicht einig sind.

Wären seine Angehörigen, denn mehr amused, wenn er in 6 Jahren verwirrt stirbt?
Wem soll das nützen?

Mir mag sich diese Logik nicht erschließen...

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Matt 66
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Re: Mutig oder feige? Gunter Sachs...

Beitragvon Matt 66 » Mo 9. Mai 2011, 21:58

Mr Knowitall hat geschrieben:Dass alle um jeden Preis am Leben bleiben müssen, ist nämlich das Gegenteil von Barmherzigkeit.
Denkt mal drüber nach!


Das ist ja hier - soweit ich es sehe - nicht der Fall. Es geht um Anzeichen von Alzheimer. Alzheimer hat auch Vorteile: man lernt jeden Tag neue Leute kennen... Ich bin sicher nicht grundsätzlich gegen aktive Sterbehilfe, aber Alzheimer und bspw. Krebsendstadium oder Querschnittslähmung usw, sind für mich schon ein paar verschiedene Paar Schuhe.

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Matt 66
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Re: Mutig oder feige? Gunter Sachs...

Beitragvon Matt 66 » Mo 9. Mai 2011, 22:03

Mr Knowitall hat geschrieben:Wir sind uns einig, dass wir uns in diesem Punkt nicht einig sind.

Wären seine Angehörigen, denn mehr amused, wenn er in 6 Jahren verwirrt stirbt?
Wem soll das nützen?

Mir mag sich diese Logik nicht erschließen...


Sagen wir so: ich finde es halt recht früh für so einen Entschluß. Für mich hat das alles einen gewissen selbstdarstellerischen Beigeschmack. Er hat ja sogar noch ausdrücklich erwähnt, dass aus seinem Abschiedsbrief öffentlich zitiert werden darf/soll.
Für mich klingt das nach maßloser Rampensau. Aber wie gesagt, ich kenne den Menschen nur sehr wenig, eigentlich gar nicht.

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Re: Mutig oder feige? Gunter Sachs...

Beitragvon Mr Knowitall » Mo 9. Mai 2011, 22:05

OK, da stimme ich zu.
Dennoch bin ich der Meinung, dass einem in den eigenen Tod keiner reinzureden hat. War früher auch so. Und früher war auch nicht alles schlecht.
Egoismus zu unterstellen (das Leid der Angehörigen), ist doch auch nur Egoismus: ich muss so viel trauern, weil der nicht so viel leiden wollte...

Nicht falsch verstehen: ich finde das nicht toll. Er hatte wohl Angst, dass er nicht mehr "freiwillig" aus dem Leben scheiden kann, wenn er den kritischen Punkt verpasst.
Muss man schon auch sehen!
Ich verurteile seine Entscheidung aber auch nicht, weil mir das einfach nicht zusteht!

Ich kenne ihn auch nicht, aber mir geht es auch gar nicht um ihn persönlich, sondern um eine ganz allgemeine Frage.
Warum kümmert sich die Brigitte nicht um ihr Gulasch?

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Re: Mutig oder feige? Gunter Sachs...

Beitragvon nighthawk » Mo 9. Mai 2011, 22:13

Mr Knowitall hat geschrieben:Die primitiven Menschen haben zwei Dinge gepflegt:
1. Respekt vor der Natur.
2. Gehen, wenn es Zeit zu gehen ist.

Back to the primitive!


Ich mag dich...

Meine Großmutter war jahrelang demenzkrank und meine Mutter meinte durch die Pflegeerfahrung auch, dass sie lieber sterben würde. Das soll - das sehe ich ähnlich - wirklich jeder für sich entscheiden, aber ab einem bestimmten Punkt ist das Leben nicht mehr angenehm und/oder produktiv für andere - beide Dinge sind mir persönlich wichtig.

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Mr Knowitall
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Re: Mutig oder feige? Gunter Sachs...

Beitragvon Mr Knowitall » Mo 9. Mai 2011, 22:16

Ich habe gute Instinkte!

Allwissend bin ich nicht, doch viel ist mir bewusst.

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Matt 66
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Re: Mutig oder feige? Gunter Sachs...

Beitragvon Matt 66 » Mo 9. Mai 2011, 22:22

Mr Knowitall hat geschrieben:Ich verurteile seine Entscheidung aber auch nicht, weil mir das einfach nicht zusteht!


Um das klarzustellen: VER-urteilen tu ich auch niemanden, ich BE-urteile nur für mich ganz persönlich. Moralische Missionarsarbeit liegt mir fern.

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Re: Mutig oder feige? Gunter Sachs...

Beitragvon Mr Knowitall » Mo 9. Mai 2011, 22:29

Zum Glück. Ich muss nämlich ins Bett.

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Aldaron
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Re: Mutig oder feige? Gunter Sachs...

Beitragvon Aldaron » Mo 9. Mai 2011, 22:53

Ich hatte mal ein Mädl, deren Mutter hatte sich erschossen. Auch wegen einer unheilbaren Krankheit. Da bleiben so viele Fragen und Schmerzen, die der Selbstmörder nicht mit ins Grab nimmt...

Mir ist es ehrlich gesagt ziemlich Wumpe, mir war der Mann nur wenig Begriff. Aber jetzt eisern am Selbstbestimmungsrecht festzuhalten, find ich auch schwierig. Meiner Meinung gibt es das nicht mehr, sobald man die soziale Bindung einer Familie eingeht. Aber das ist nur meine Sicht der Dinge, die ich aus dem bereits Erlebten ziehe. Ich weiß nicht, wie/ob die Familie mit einbezogen war. Und ja, ich kenne auch Alzheimerfälle. Und oft ist man erleichtert, sobald der/diejenige verstorben ist. Trotzdem bleiben bis dahin noch einige schöne Jahre für beide Seiten, Erkrankter wie Familie.


Ich habe Suizid bisher nur in Verbindung mit Verzweiflung kennen gelernt. Eigentlich nie mit Mut oder Feigheit.


Es ist niemals so, dass man einen Suizid gleich verarbeitet, wie einen natürlichen Tod. Und von Egoismus seitens der Angehörigen zu sprechen... Puh... Der war hart.
Zuletzt geändert von Aldaron am Di 10. Mai 2011, 08:44, insgesamt 1-mal geändert.

Zakk_Wylde
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Re: Mutig oder feige? Gunter Sachs...

Beitragvon Zakk_Wylde » Di 10. Mai 2011, 00:31

Bei Beckmann gerade gesehen...

Für mich großes Kino...

Für die in 60ern geborenen vielleicht nachvollziehbar...

Als Kind viel auf Sylt gewesen, in Timmendorfer Strand die Sommer verbracht. Ist nicht Cannes... Klar. Aber der Lifestyle, die Mode, die Autos.....

War wie ne Reise in die Kindheit. Schön!

Gruß Zakk

Darthie

Re: Mutig oder feige? Gunter Sachs...

Beitragvon Darthie » Di 10. Mai 2011, 07:53

Matt 66 hat geschrieben:Bei Suizid stelle ich mir halt immer vor, wie es den Angehörigen dabei gehen muss. Ich finde, man hat - gerade wenn man verheiratet ist, Kinder hat - seiner Familie gegenüber auch eine gewisse Verantwortung. Sich einfach so "davonzustehlen" fände ich dann sehr rücksichtslos und egoistisch.
(...)
Den eigentlichen Stress haben ja eher die Angehörigen und Betreuer/Pfleger.


Ich finde, diese beiden Absätze passen nicht zusammen.

Ich kenne Herrn Sachs jetzt auch nicht so, und den Motor, den ich mal von ihm hatte, der war Scheisse...
Aber davon ab: Was weiss man denn, ausser dem, was die - bekanntermaßen verlogene - Regenbogenpresse jetzt so schreibt?
Vielleicht ist Herrn Sachs' Entscheidung ja nach vielen Diskussionen im Familienkreis gefallen, und Herr Sachs wollte eben seinen Angehörigen nicht zur Last fallen... Oder eben nicht alle 10 Minuten fragen, ob's noch ein Glas Champagner sein dürfe?!
Zumal Herr Sachs ja nicht mehr der Jüngste war, und die Kinder selbst erwachsen.
Ich sehe da noch einen Unterschied zum Selbstmord des Torwartes letztes Jahr (Ehnke? Tut mir leid, konnte mir den Namen nicht merken, war nie Fußball-Fan).

Ansonsten denke ich prinzipiell aber auch, dass man durchaus in Würde krank sein kann.

Basslümmel

Re: Mutig oder feige? Gunter Sachs...

Beitragvon Basslümmel » Di 10. Mai 2011, 09:39

Darthie hat geschrieben:Ansonsten denke ich prinzipiell aber auch, dass man durchaus in Würde krank sein kann.[/color]


Und wer entscheidet wann die Würde ihre Grenze erreicht hat, der Kranke, oder der gesunde Angehörige?

Wir leben nicht länger als die Generationen vor uns, wir werden nur älter.

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Matt 66
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Re: Mutig oder feige? Gunter Sachs...

Beitragvon Matt 66 » Di 10. Mai 2011, 10:04

Mr Knowitall hat geschrieben:Zum Glück. Ich muss nämlich ins Bett.


Auch das unterscheidet uns. :mrgreen:

Al Burky

Re: Mutig oder feige? Gunter Sachs...

Beitragvon Al Burky » Di 10. Mai 2011, 10:05

Matt 66 hat geschrieben:
Mr Knowitall hat geschrieben:Zum Glück. Ich muss nämlich ins Bett.


Auch das unterscheidet uns. :mrgreen:


Na, wer weiß schon, warum oder mit wem er ins Bett musste..... :haha:

Und, was gibts heute zum Frühstück? Oder isses zu früh? :?:

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Re: Mutig oder feige? Gunter Sachs...

Beitragvon Matt 66 » Di 10. Mai 2011, 10:08

Darthie hat geschrieben:Ich finde, diese beiden Absätze passen nicht zusammen.


Ich habe die vielleicht naive Vorstellung, dass der Patient sich gar nicht bewusst ist, dass er Alzheimer hat. Er vergißt es ja sofort wieder. Und insofern hat er ja eigentlich "keine Probleme". Sein Leben geht ja für ihn normal weiter. Die Angehörigen müssen sich umstellen.

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Re: Mutig oder feige? Gunter Sachs...

Beitragvon Matt 66 » Di 10. Mai 2011, 10:10

Al Burky hat geschrieben:Na, wer weiß schon, warum oder mit wem er ins Bett musste..... :haha:

Und, was gibts heute zum Frühstück? Oder isses zu früh? :?:


Wann und mit wem ich ins Bett gehe - also da bin ich total selbstbestimmt. Von "müssen" kann da keine Rede sein. :twisted:

Jetzt erst mal duschen und anziehen, dann schauen wir weiter... :tongue:

gorch

Re: Mutig oder feige? Gunter Sachs...

Beitragvon gorch » Di 10. Mai 2011, 10:30

gorch hat geschrieben:Nun kann man ihm keinen Vorwurf mehr machen. Im Zweifel hätte er ihn wohl auch bald wieder vergessen. Sorry for that! Man soll darüber keine Witze machen.


Mir wird das Thema zu hoch aufgehängt. Er ist nicht der erste, der für sich ein solche Entscheidung trifft. Das Thema ist in Familien auch aus anderen Gründen alltäglich. Letztes Jahr ist meine Schwiegermutter verstorben. Sie hat den Weg gehen müssen, den Herr Sachs nicht gehen wollte. Schon vor 10 Jahren hatte ihr Herz eigentlich schon nicht mehr mit gemacht. Zwischendurch wurde die Batterie des Herzschrittmachers mehrmals erneuert. Es hatte daher mehrere Ausstiegszeitpunkte unter Berücksichtigung fortschreitender Demenz gegeben, die nicht genutzt wurden. Sie hat zu Hause leben dürfen. Auch wenn es eine sehr anstrengende Phase über viele Jahre war, so denke ich sind die meisten Geschwister glücklich, das ihre Mutter noch lange lebte. Leben und lebenswert kann man sicher fragen.

Einen Hund hätte man frühzeitig zum Tierarzt gebracht...

Was ist jetzt richtig?

Darthie

Re: Mutig oder feige? Gunter Sachs...

Beitragvon Darthie » Di 10. Mai 2011, 10:58

Basslümmel hat geschrieben:Und wer entscheidet wann die Würde ihre Grenze erreicht hat, der Kranke, oder der gesunde Angehörige?


Das ist keine Entscheidung. Der gesunde Angehörige hat für eine würdevolle Krankheit zu sorgen.

Bspw. den kranken Angehörigen im gefliesten Keller unterzubringen und einmal in der Woche die Fäkalien mit kaltem Wasserschlauch abzuspritzen ist unwürdig.

orben

Re: Mutig oder feige? Gunter Sachs...

Beitragvon orben » Di 10. Mai 2011, 11:01

Darthie hat geschrieben:
Bspw. den kranken Angehörigen im gefliesten Keller unterzubringen und einmal in der Woche die Fäkalien mit kaltem Wasserschlauch abzuspritzen ist unwürdig.


scheiße, dabei wollte ich als kranker das doch noch erleben! :shock:


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