Tom hat geschrieben:Gutes Posting in dem Sinne Carlo, daß du - in meiner Interpretation - hier in gewisser Weise eine "stereophile" Haltung einnimmst oder schon längst hast (ob mir dieser Anzug passt ist im Moment völlig nebensächlich).
Ich halte fest:
Es kann für den Genuß von LiveMusik also auch ein Qualitätskriterium sein, wenn alle "Liveartefakte" wie größere Dynamik, stärkerer Raumklang, Resonanzen, das Herumgehen im Raum bei gleichzeitiger Veränderung des Klangbildes, der Klang eines Naturdrumsets (der ja sehr anders ist als "auf Platte") etc. gut und stark durchkommen.
Das wäre allerdings ein direkter Gegenentwurf zu dem, was ich hier suche bzw. nach dem ich frage.
Mir geht es nicht um die grundsätzliche Bewertung, ob "echte" Live Musik schöner oder besser ist als ein Klangbild "wie auf CD"
sondern ich bewege mich im Grunde bereits ausschliesslich innerhalb des Diskurses "Liveklangbild wie wir es von der CD her kennen".
Um ehrlich zu sein, ich bin nicht zu 100% fit in diesen "soundtechnischen" Fragen, aber man kann durchaus ein paar Beobachtungen anstellen, gerade was die großen amerikansichen Acts angeht:
1. Ich denke dass ein Großteil des Publikums die "Qualität" eines Konzerts tatsächlich daran misst, wie nah die Musiker das Klangideal von CD reproduzieren können. Ein Kollege schrieb es ja schon: "Das ist die Erwartungshaltung". Das, was wir als Mucker "dynamisch", "lebendig" oder "rotzig-dreckig" empfinden und dies für uns sehr positiv bewerten, kommt bei "Lieschen Müller" wohl eher als "Krach" an und wird negativ bewertet, dadurch ergibt sich folgender Punkt:
2. Die Zielsetzung vieler Liveproduktionen ist die, es "live" so klingen zu lassen, wie auf CD. Wie gesagt, ich bin kein Fachmann, aber man kann durchaus beobachten und auch lesen, dass die digitale Technik, auch auf analytischer Ebene überall Einzug erhält. Soweit ich weiß kann man jede Frequenz, jeden Sound und auch die Positionierung der einzelnen Instrumente im Mix live reproduzieren, wenn man im Vorfeld das "Klangbild" der CD genau analysiert. Kompressoren, Limiter, Gates tun dann ihr Übriges dazu, um Alles schön "dicht" nach vorne zu bringen und jegliche Form von "Schmutz" zu unterdrücken.
Das funktioniert natürlich nur ab einer gewissen Größenordnung PA-Halle.
3. Ich glaube, dass auch der Beginn der ganzen Signalkette entscheidend ist. Das Beispiel von Shania Twain hat mir sehr gut gezeigt, wie wichtig es offenbar ist, bereits beim "Input" in die Anlage, ein Signal zu produzieren, dass dem Sound auf CD möglichst sehr nahe kommt. Bei Keybords ist das ohnehin kein Problem, Drums werden oft nochmal getriggert und mit den Drumsounds von der CD-Produktion versehen, Vocals mit den gleichen Effekten, Gitarristen bilden den Studiosound unter Verwendung des gleichen Equipments nach oder reproduzieren es digital... usw...
4. Mittlerweile, so habe ich es zumindest gelesen, gibt es bei großen Studioproduktionen, an die sich meist direkt eine Tournee des Künstlers anschließt, bereits in der Produktionsphase der CD, die Fragestellung:
"Wie kann ich es auf CD produzieren und DAS wiederum möglichst 1:1 live umsetzen. Das heißt schon bei den Studioarrangemets, bei den verwendeten Sounds, der verwendetetn Produktionstechniken, wird überlegt, wie man das Produzierte mit "auf die Bühne nimmt"
Ich glaube, es gab da mal ein Interview mit dem Basser von Justin Timberlake vor ein paar Jahren, wo er genau auf diese Prozeder aufmerksam gemacht hat....
5. Die Technik der FOH wird ihr Übriges dazu tun... DA habe ich aber leider, wie gesagt keine Ahnung von....
Noch was:
Ich habe Peter Maffay auf seiner letzten Tournee (TATTOOS mit dem großen Orchster) exakt 2mal in der gleichen Halle mit der gleichen Techni gesehen und gehört. Einmal habe ich im Innenraum, ziemlich mittig im letzten Drittel gesessen. Das Klangbild war hervorragend. Zwar rauer als auf CD, aber trotzdem sehr "hifi-mäßig". Alles war da, Alles war klar, 4 Gitarren, Vocals, groovige Rhythmsection und ein Orchester, das einen schönen Teppich gelegt hat.
Dann, ein halbes Jahr später, Zusatzkonzert in der gleichen Halle, gleice Produktion, gleiches Team. Nur diesmal standen wir in der dritten Reihe, also so gut wie ganz vorne. Ich stand dirket vor Mr. Carl Carlton und seinem wunderbaren THC Amp. Ergebnis: Das Hörerlebnis war ganz anders. Die Gitarre drückte direkt ins Gesicht (logischer weise), Die Instrumente waren zwar immer noch gut, aber ungleichmäßiger zu hören. Und der ganze Schmutz war da... Rauschen, Brummen, Seitengeräsche , Umschaltgeräusche...
Ich fands geil, es wirkte richtig lebendig und authenthisch. Ob "Lieschen Müller" das genau so empfindet weiß ich nicht....
Sie hätte es wahrscheinlich lieber "sauberer".
Im Verlauf des Gigs bin ich dann weiter nach hinten gegangen, in etwa auf die Position, wo ich beim letzten Mal auch stand. Und siehe da: Genau das gleiche Klangbild wie beim letzten Mal.....
Ich denke einfach die moderenen PA Techniken lassen ganz andere Klangbilder zu und können viel von dem reproduzieren, was wir vom CD-Klang kennen. Sowohl was die eigentlichen Grundsounds, aber auch was die Positionierung der Instrumente und ihre plastische Darstellung im Mix angeht.
Ist denn kein "Mischer" und/oder Techniker hier? Wäre mal interessannt, was das "Fachpublikum" meint....